Der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Staat geht es auf den ersten Blick gut, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in den letzten 16 Jahren um rund 44% gewachsen von 2,180 Billionen € in 2001 auf 3,133 Billionen € in 2016, das für 2017 prognostizierte Wirtschaftswachstum ist mit 1,8% ordentlich, das Privatvermögen (bestehend aus Geldvermögen, Grund und Boden, Anlagevermögen und Privatvermögen) hat sich in den letzten 16 Jahren um 57% erhöht von 8,8 Billionen € in 2001 auf 13,8 Billionen € in 2016 (siehe: https://crp-infotec.de/deutschland-vermoegensentwicklung/), der Außenhandelsüberschuss von 252,4 Milliarden € bescherte Deutschland in 2016 erneut den Titel des „Exportweltmeisters“, die (offiziellen) Staatsschulden sind in den letzten 16 Jahren zwar um 75,4% gestiegen (von 1,22 Billionen € in 2001 auf 2,14 Billionen € in 2016), liegen aber mit 68,3% vom BIP im Vergleich zu anderen Ländern noch einigermaßen im Rahmen (siehe: https://de.reuters.com/article/bundesbank-staatsschulden-idDEKBN1721BB), der Staatshaushalt ist ausgeglichen (bzw. seit 2014 infolge der deutlich gesunkenen Refinanzierungskosten für die Staatsschulden sogar leicht positiv) und Deutschland ist einer der großen Profiteure des Euro – so wird es zumindest oft und gerne behauptet.

Aber stimmt das wirklich? Und was hat „Otto Normalverbraucher“ davon, z. B. im Hinblick auf die Entwicklung seines Realeinkommens, seiner Rente oder seines Privatvermögens? Wer profitiert in Deutschland wirklich vom Euro (bzw. wer nicht) und welchen Risiken ist der Wohlstand in Deutschland ausgesetzt? Ein Blick hinter die Kulissen bzw. über den Zaun zu unseren Nachbarn lohnt sich (ungeduldigen Lesern, die möglichst wenig ihrer kostbaren Lebenszeit in Weiterbildung investieren wollen, empfehle ich das Fazit am Ende des Artikels).

1. Der deutsche Außenhandelsüberschuss und seine Folgen

Beginnen wir unsere Betrachtung mit dem deutschen Außenhandelsüberschuss und seinen ambivalenten Folgen, die den wenigsten Bürgern bekannt sein dürften. Deutschland hat in 2016 Waren im Wert von 1,207 Billionen € exportiert und unter Berücksichtigung der Importe von 954,6 Milliarden € einen Außenhandelsüberschuss von 252,4 Milliarden € erwirtschaftet (siehe: https://tivot.blog/2018/02/10/daten-und-fakten-zum-deutschen-ausenhandel/). In allen Jahren seit 1952 hat Deutschland mehr Waren exportiert als importiert. In den dreizehn Jahren von 2004 bis 2016 lag der deutsche Außenhandelsüberschuss dabei zwölfmal bei mehr als 150 Milliarden €. Und auch 2009 war die deutsche Handelsbilanz trotz der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der hohen Exportabhängigkeit Deutschlands positiv (138,7 Milliarden €).

Ein Außenhandelsüberschuss geht zwangsläufig mit einem Export von Kapital ins Ausland einher – entweder in Form von Krediten oder aber in Form von Direktinvestitionen im Ausland (siehe: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/deutscher-aussenhandelsueberschuss-ist-kapitalexport-und-schadet-d-a-1111265.html). Im Zuge der letzten globalen Finanzkrise mussten deutsche Anleger ab 2008 schmerzhaft lernen, welche negativen Konsequenzen dies haben kann, denn sie sie verloren beträchtliche 600 Milliarden € an Auslandvermögen (das entspricht ungefähr dem deutschen Außenhandelsüberschuss aus zwei Jahren) – siehe: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutsche-investoren-verlieren-600-milliarden-euro-im-ausland-verzockt/8523022.html.

Vorschläge zur Einrichtung eines „Staatsfonds“ für Deutschland (analog z. B. zu den Staatsfonds von Norwegen oder Singapur), der durch Zukunftsinvestitionen in die deutsche Infrastruktur den deutschen Außenhandelsüberschuss verringern und die Beteiligung der Bürger am Produktivvermögen fördern könnte (es gibt in Deutschland nur 4,38 Millionen direkte Aktionäre, zwei Drittel der Haushalte besitzen weder Aktien, noch Investmentfonds), verhallen leider ungehört (siehe: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/gastbeitrag-ein-vermoegensbildungsfonds-fuer-deutschland-12674947.html).

2. Haftungsrisiken aus dem Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank und der „Rettung“ des Euro

Zwischen 2015 und 2017 wurden von der Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des so genannten „Quantitative Easing“-Programms Staats- und Unternehmensanleihen aus Ländern der Eurozone im Wert von 2,3 Billionen € aufgekauft – nach offizieller Darstellung, um die Inflationsrate in der Eurozone auf den Zielwert von knapp unter 2% anzuheben (tatsächlich dürfte es sich wohl eher um den verzweifelten Versuch handeln, überschuldete Staaten der Eurozone vor dem Staatsbankrott zu bewahren).

Bei den aufgekauften Anleihen handelt es sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil um Schrottpapiere, für die es noch nicht mal einen Marktpreis gibt, wie Kjell Nyborg, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Universität Zürich, herausgefunden hat (siehe: https://www.wiwo.de/politik/europa/geldpolitik-die-ezb-riskiert-die-monsterinflation/19930948.html).

Die Steuerzahler der Eurozone haften für sämtliche Überschüsse und Defizite der EZB. Maßgeblich für die Gewinn- bzw. Verlustzuweisung ist der Anteil der nationalen Notenbanken am voll eingezahlten Kapital der EZB. Dieser Anteil lag für die Deutsche Bundesbank in 2016 bei 25,5674%. Aus den 2,3 Billionen € resultiert unter Berücksichtigung des Anteils der Deutschen Bundesbank ein Haftungsrisiko von 590 Milliarden € für den deutschen Steuerzahler.

Auf mehr als 600 Milliarden € summieren sich die Rettungspakete für Staaten der Eurozone bis Ende 2016. Die Programme für Irland, Portugal, Spanien und Zypern sind abgeschlossen, nach Griechenland floss aber bereits mehr Geld als in die anderen Krisenländer zusammen (siehe: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/rettungspakete108.html). Aus der „Rettung“ von überschuldeten Staaten der Eurozone seit 2008, die ab 2012 im Wesentlichen über den European Stability Mechanism (ESM) abgewickelt wurde, resultieren 153 Milliarden € an ausfallgefährdeten Haftungsrisiken für den deutschen Steuerzahler.

3. Haftungsrisiken aus den TARGET2-Forderungen der Deutschen Bundesbank

Es gibt noch weitere signifikante Risiken, die aus dem Eurosystem resultieren. TARGET ist das Zahlungsverkehrssystem der Zentralbanken der Eurozone für die Abwicklung nationaler und grenzüberschreitender Transaktionen. TARGET steht für „Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer“-System und wird vornehmlich für die Abwicklung von großer Beträge und eiliger Zahlungen genutzt. Die Verrechnung erfolgt in Zentralbankgeld, d. h. im Zuge von grenzüberschreitenden Transaktionen werden Forderungen und Verbindlichkeiten der nationalen Notenbanken untereinander bei der EZB aufgebaut. Bei TARGET2 handelt es sich um die Nachfolgegeneration des mit der Einführung des Euro in Betrieb genommenen TARGET-Systems.

Eigentlich sollte man erwarten, dass die Forderungen und Verbindlichkeiten im TARGET2-System jeweils zeitnah nach Abschluss des zugrundeliegenden Geschäftsvorfalls (z. B. Warenlieferung) ausgeglichen werden, die Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber anderen Notenbanken der Eurozone erreichen jedoch infolge des deutschen Außenhandelsüberschusses sowie aufgrund des Anleihenkaufprogramms der Europäischen Zentralbank monatlich neue Rekordstände – per 30.06.2017 waren es schwindelerregende 860 Milliarden € (siehe: https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/TARGET2_Saldo/target2_saldo.html), die weder verzinst werden, noch in irgendeiner Form besichert sind. Deutschland gewährt seinen ausländischen Partnern in der Eurozone sozusagen einen zinslosen Dispokredit in oberer dreistelliger Milliardenhöhe ohne Sicherheiten, mit dem unter anderem deutsche Warenexporte finanziert werden. Nur am Rande sein angemerkt, dass Steuerzahler in Deutschland ihre Steuerrückstände gegenüber dem deutschen Fiskus mit 6% pro Jahr verzinsen müssen.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Gegenposten zu den hohen TARGET2-Forderungen der Deutschen Bundesbank (also die höchsten Verbindlichkeiten im TARGET2-System der Eurozone) bei vier Ländern liegen, nämlich Italien (-421,6 Milliarden €), Spanien (-375,6 Milliarden €), Griechenland (-75,9 Milliarden €) und Portugal (-75,4 Milliarden €) – den Stand der TARGET2-Salden per 31.05.2017 findet man hier: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233148/umfrage/target2-salden-der-euro-laender/.

4. Gesamtbetrachtung der Haftungsrisiken aus dem Eurosystem

Zusammenfassend muss man feststellen, dass Deutschland in den rund 10 Jahren seit Ausbruch der globalen Finanzkrise in 2008 infolge der fehlkonstruierten Eurozone über 860 Milliarden € an wackeligen TARGET2-Forderungen aufgebaut hat (Tendenz steigend), plus 590 Milliarden € an ausfallgefährdeten Haftungsrisiken aus dem 2,3 Billionen € schweren Anleihenkaufprogramm der EZB, plus 153 Milliarden € an ausfallgefährdeten Haftungsrisiken aus der ca. 600 Milliarden € schweren „Rettung“ diverser Staaten der Eurozone (vor allem Griechenland) – das sind in Summe 1,603 Billionen € bzw. rund 20.000 € pro Kopf jedes deutschen Bürgers vom Baby bis zum Greis  (siehe: https://tivot.blog/2018/02/10/5103-billionen-e-deutsche-staatsschulden-und-haftungsrisiken/)

Allein diese Fakten zeigen bereits, dass Deutschland sicher nicht zu den großen Profiteuren des Euro gehört. Eine etwas umfassendere Darstellung liefert der Ökonom Daniel Stelter in diesem Artikel vom 04.03.2015 im Manager-Magazin unter der Überschrift „Deutschland und die Eurokrise – Zehn Gründe, warum wir die Verlierer des Euro sind“ (siehe: http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/deutschland-hat-durch-den-euro-nachteile-a-1021698.html). Aber das ist noch nicht alles.

5. Risiken aus dem europäischen Bankensystem

Weitere beträchtlichen Risiken für den deutschen Steuerzahler resultieren aus dem Bankensystem (siehe auch: https://www.heise.de/tp/features/Eine-riskante-Welt-der-Schulden-und-unsicherer-Banken-3344025.html): In 2012 lag die Summe der Bankschulden in Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Irland mit 17 Billionen € um mehr als 200% höher, als die Summe der Staatsschulden dieser Länder in Höhe von 5,5 Billionen € (aktuellere Zahlen zu den Bankschulden findet man interessanterweise nicht).

Nach einer Studie des Ministerrats der Europäischen Union belief sich das Volumen Not leidender (d. h. also ausfallgefährdeter) Kredite bei den Banken aller EU-Staaten Ende 2016 auf rund 990 Milliarden Euro. Das sind rund 6,7% der gesamten Wirtschaftsleistung der EU. Damit steht die EU deutlich schlechter da, als andere Wirtschaftsschwergewichte: In den USA sind es 1,7% und in Japan 1,6% (siehe: http://www.dw.com/de/die-eu-die-banken-und-die-schulden/a-39647700). Ein Drittel des europäischen Bankensystems ist aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Untergang bedroht: Diese Banken halten Vermögenswerte in Höhe von 8,5 Billionen USD und sind laut IWF „nicht fähig, nachhaltige Profite zu erwirtschaften“.

Angesichts dieser Zahlen und Fakten wird schlagartig klar, warum interessierte Kreise in der EU immer lauter nach einer „Bankenunion“ oder gar nach einer „Europäischen Bad Bank“ rufen – man ist wieder mal auf der Suche nach Steuerzahlern, die als nützlichen Idioten missbraucht werden können, um den Privatanlegern ihre selbst verschuldeten Haftungsrisiken abzunehmen.

6. Risiken aus dem globalen Finanzsystem für die Realwirtschaft und das Gemeinweisen

Nun möchte ich auf die Risiken eingehen, die aus dem globalen Finanzsystem resultieren. Diese sind nämlich signifikant und bergen erhebliche Verlustrisiken für den deutschen Steuerzahler.

6.1 Risiken aus dem Handel mit Derivaten

Ein Derivat ist ein Vertrag zwischen zwei oder mehr Parteien, der seinen Wert aus der Entwicklung eines darunter liegenden Vermögenswertes, Indexes oder eines sonstigen Objektes, z. B. Rohstoffe oder Währungen, ableitet. Derivate dienen Unternehmen und Investoren eigentlich dazu, die Risiken aus der Veränderungen von Preisen zu verteilen und abzufedern, vor allem bei Zinsen, aber auch bei Wechselkursen, Rohstoffen oder Aktien.

Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre trieben Spekulanten das Handelsvolumen mit Derivaten rund um den Globus in niemals dagewesene Dimensionen. Das weltweite Handelsvolumen mit Derivaten lag in 2015 bei gigantischen 630 Billionen bis 1,2 Billiarden USD – ganz genau weiß das niemand, da der größte Teil dieser spekulativen Geschäfte und Finanzwetten als „Over the Counter“-Transaktionen (OTC) jenseits der regulierten Märkte gehandelt wird.

Die Dimension wird erst deutlich, wenn man sich folgenden Vergleich vor Augen führt: Der Gesamtwert der weltweiten Schulden lag in 2015 bei 199 Billionen USD, der Gesamtwert der weltweiten Geldmenge („Broad Money“) einschließlich Münzen, Banknoten, Guthaben auf Girokonten sowie langfristiger Geldanlagen auf Spar- oder Festgeldkonten bei nur 80,9 Billionen USD und die Marktkapitalisierung sämtlicher Aktienmärkte bei nur 70 Billionen USD (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/07/03/wieviel-geld-es-auf-der-welt-gibt/).

Nachrichtlich sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die Deutsche Bank mit 59,2 Billionen € in 2011 zum größten Derivatehändler der Welt wurde; bis Anfang 2017 reduzierte die Deutsche Bank ihren Derivatebestand bis auf 46 Billionen € – was jedoch immer noch dem rund Fünfzehnfachen der deutschen Wirtschaftsleistung in 2016 von 3,133 Billionen € entspricht (siehe: http://www.zeit.de/2016/53/deutsche-bank-derivate-finanzmarkt-bedrohung).

6.2 Risiken aus hochspekulativen Anlageformen

Die Instrumente, mit denen die Finanzindustrie das globale Finanzsystem schon mehrfach an den Rand des Abgrunds gebracht hat, werden unverdrossen genutzt – einschließlich der Kreditderivate, die Warren Buffet in 2003 als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet hat, namentlich Credit Default Swaps (CDS), Collateralized Debt Obligations (CDO), Mortgage Backed Securities (MBS) oder Asset Backed Securities (ABS).

Diese Kreditderivate wurden seit Anfang der 2000er Jahre explosionsartig benutzt, um Kredite in so genannten „Wertpapieren“ zu bündeln und das Risiko eines Zahlungsausfalls der Schuldner durch Verkauf der „Wertpapiere“ an Dritte vom Risiko der Kreditvergabe zu entkoppeln. Zu welchen Fehlentwicklungen dies führt, konnte man beim Zustandekommen der US-Subprime-Krise besichtigen, die sich nach dem Zusammenbruch von Bear Stearns und Lehman Brothers in 2008 zu einer veritablen globalen Finanzkrise ausweitete.

Den Spekulanten die Instrumente für ihre ungezügelten Spekulationen aus der Hand zu nehmen (einschließlich Hochfrequenzhandel, Short Selling, Hedging, Spekulationen mit Rohstoffen oder mit bzw. gegen Währungen basierend auf Long bzw. Short Equity-Modellen sowie der bereits erwähnten CDS, CDO, MBS und ABS), wäre wohl die wirksamste Maßnahme, um dem maßlosen Treiben Einhalt zu gebieten. Weit und breit ist jedoch kein Politiker, Notenbankchef oder Leiter einer Regulierungsbehörde sichtbar, der die Kragenweite und den Willen hätte, sich einer solchen Aufgabe zu widmen – trotz unzähliger Verwerfungen und krimineller Machenschaften, mit denen die Finanzindustrie dem Gemeinwesen in den vergangenen Jahrzehnten erheblichen Schaden zugefügt hat (siehe: https://tivot.blog/2018/02/10/warum-die-globale-finanzindustrie-reguliert-und-in-ketten-gelegt-werden-muss/).

Die Finanzminister können sich noch nicht einmal auf die Einführung einer lächerlich niedrigen Finanztransaktionssteuer in der Eurozone einigen (siehe: https://www.welt.de/wirtschaft/plus166621034/Deutschland-muss-Deutschland-soll-Ende-der-Freundlichkeit.html) oder auf die Entschärfung des Hochfrequenzhandels durch minimale Geschwindigkeitsbegrenzungen (siehe: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/hochfrequenzhandel-an-der-boerse-bundesbank-will-tempo-zocker-ausbremsen/14731704.html). Im Zweifel verstecken sich die Verantwortlichen lieber hinter der billigen Ausrede, nach der das Kapital ein scheues Reh ist, dass sich jeglicher Form von Regulierung durch Flucht in den nächsten Wald entzieht.

6.3 Nach der Krise ist vor der Krise (und die Zentralbanken haben ihr Pulver bereits verschossen)

Wann der nächste globale Finanzcrash eintritt, ist nur eine Frage der Zeit und da die Zentralbanken (hauptsächlich die US-amerikanische FED und die Europäische Zentralbank) im Zuge der Bewältigung der letzten globalen Finanzkrise ihr Pulver in Form von Zinssenkungen und Quantitative Easing-Programmen bereits weitgehend verschossen haben, besteht diesmal erheblicher Anlass zur Sorge.

Der Hedgefonds-Manager Jim Rogers erwartet, dass der nächste globale Finanzcrash ein „Once-in-a-Lifetime“-Event werden wird (siehe: https://www.zerohedge.com/news/2017-06-09/jim-rogers-says-next-crisis-will-be-biggest-my-lifetime). Die private und öffentliche Verschuldung ist heute viel höher, als bei Ausbruch der letzten globalen Finanzkrise in 2008 (siehe: https://www.heise.de/tp/features/Eine-riskante-Welt-der-Schulden-und-unsicherer-Banken-3344025.html), die wesentlichen Aktien- und Immobilienmärkte befinden sich (aufgeblasen durch das billige Zentralbankgeld) in der Nähe ihrer Allzeithochs, die Regulierung der Finanzmärkte ist durch die Lobbyarbeit der Finanzindustrie nach wie vor völlig unzureichend und wird zudem in den USA schon wieder gelockert z. B. durch die Rücknahme des von der Obama-Regierung in 2010 erlassenen Dodd-Frank-Act durch die Trump-Regierung im Februar 2017 (siehe: https://www.n-tv.de/politik/Trump-schafft-Dodd-Frank-Gesetz-ab-article19687154.html).

7. Die Auswirkungen deutscher Politik auf Einkommen und Vermögen der deutschen Bürger

7.1 Entwicklung der Realeinkommen und komplexes Steuerrecht in Deutschland

Die Mehrheit der Deutschen verdient mit einem Vollzeitjob zwischen 1.500 und 3.800 €/Monat (brutto); 15% verdienen sogar über 5.100 €/Monat (brutto). Das mittlere Einkommen (Median) für Vollzeitbeschäftigte liegt in Deutschland bei knapp über 3.000 €/Monat (brutto) – siehe: http://www.daserste.de/information/ratgeber-service/geldcheck/wer-verdient-was-er-verdient-interview-statistisches-bundesamt-100.html. Inklusive Auszubildende und Teilzeitbeschäftigte sinkt es auf 2.500 Euro (brutto) – siehe: https://www.focus.de/finanzen/news/arbeitsmarkt/grosse-gehaltsauswertung-jeder-dritte-verdient-weniger-als-2400-euro-so-ungleich-sind-die-einkommen-verteilt_id_6603710.html.

Die deutsche Bundesregierung hat tatenlos zugesehen, wie die Realeinkommen der deutschen Arbeitnehmer in den letzten 16 Jahren zwischen 2001 und 2016 um mickrige 3,35% gestiegen sind – das ist der viertschlechteste Wert unter allen 28 EU-Staaten hinter Griechenland, Portugal und Österreich (siehe: https://tivot.blog/2018/02/10/unternehmensgewinne-vs-reallohne-in-deutschland-zwischen-1991-und-2016/). Darüber hinaus lässt die deutsche Bundesregierung zu, dass deutsche Arbeitnehmer unter der zweithöchsten Steuer- und Abgabenlast sämtlicher OECD-Staaten (hinter Belgien) ächzen.

Ein alleinstehender deutscher Arbeitnehmer hat Abzüge in Höhe von satten 49,4%, während ein alleinstehender Arbeitnehmer in der Schweiz gerade mal 21,8% von seinem Bruttoeinkommen abgeben muss. Der Durchschnitt sämtlicher OECD-Länder liegt bei 36% und damit 13,4 Prozentpunkte unter dem deutschen Wert (siehe: http://www.compareyourcountry.org/taxing-wages?lg=de). Ein in Vollzeit beschäftigter deutscher Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 36.000 €/Jahr hat also im Vergleich zum OECD-Durchschnitt eine Mehrbelastung durch Steuern und Abgaben in Höhe von von 4.824 €/Jahr zu tragen (im Vergleich zur Schweiz sind es sogar 9.936 €/Jahr).

Darüber hinaus begünstigt das komplexe deutsche Steuerrecht mit seinen hunderten von Ausnahmetatbeständen die Steuerhinterziehung und -vermeidung. Fachleute schätzen, dass dem deutschen Fiskus dadurch 100 Milliarden € pro Jahr an Steuereinnahmen entgehen. Durch rein steuerlich motivierte Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag (sogenannte Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte) sind dem deutschen Staat seit 2001 nach Schätzungen des Finanzwissenschaftlers Christoph Spengel von der Universität Mannheim mindestens 31,8 Milliarden € entgangen (siehe: http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-06/cum-ex-geschaefte-steuerhinterziehung-banken-aktien).

Was ist nur aus der „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ von Friedrich Merz geworden? Wie viel ein einfacher Stufentarif beim Einkommensteuerrecht für den eigenen Geldbeutel bringen würde, kann man sich hier ausrechnen: http://n-heydorn.de/steuermodelle_merz_solms_kirchhof.html.

Zur Abrundung noch eine interessante internationale Vergleichszahl, um die Größenordnung der Steuerhinterziehung zu verdeutlichen: In 2012 verwalteten Privatbanken ein weltweites Fondsvermögen von 19,3 Billionen USD – davon lagen 42% bzw. 8,3 Billionen USD in Offshore-Centern (z. B. Virgin Islands, Seychelles, Cayman Islands, St. Kitts und Nevis, Liechtenstein, Panama, Bahamas oder dem US-amerikanischen Bundesstaat Delaware).

7.2 Die gesetzliche Altersversorgung in Deutschland

Auch die in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter abgebaute gesetzliche Altersversorgung ist kein Ruhmesblatt für ein reiches Land, wie Deutschland, denn die Standardrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach 45 Jahren mit dem jeweiligen Durchschnittseinkommen liegt mit 1.370 €/Monat (neue Bundesländer: 1.290 €/Monat) in den alten Bundesländern gerade mal um 453 € über der Armutsgrenze (neue Bundesländer um 373 €) – wobei zu beachten ist, dass die Renten ja seit 01.01.2005 auch noch „nachgelagert“ besteuert werden.

Viele Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung müssen sogar mit wesentlich niedrigeren Altersrenten als der Standardrente rechnen. So lag der durchschnittliche Zahlbetrag der Versichertenrenten am 01.07.2014 bei 1.061 € (Männer) bzw. 770 € (Frauen) in den alten Bundesländern und bei bei 993 € (Männer) bzw. 532 € (Frauen) in den neuen Bundesländern. (Quelle: Rentenversicherung in Zeitreihen. Ausgabe Oktober 2014. Herausgeber: Deutsche Rentenversicherung).

7.3 Höhe und Verteilung der Privatvermögen in Deutschland

In Deutschland sind viele Menschen stolz darauf, dass das Land der Exportweltmeister ist. Schaut man sich aber die Ergebnisse der gewaltigen Nettoexport- und Sparleistung für den einzelnen Bürger an, erlebt man eine herbe Enttäuschung. Nach einer in 2013 veröffentlichten Umfrage der Europäischen Zentralbank (siehe: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/ezb-umfrage-deutsche-sind-die-aermsten-im-euroraum-12142944.html) hatten die deutschen privaten Haushalte 2010 ein mittleres (Median) Nettovermögen von gerade einmal 51.400 € – das ist nicht einmal die Hälfte der französischen Vermögen (113.500 €) und noch weniger im Vergleich mit Spanien (178.300 €) oder Italien (163.900 €).

In Deutschland besitzen nur ca. 43% der Bürger Wohneigentum, während es im Rest von Europa 70 bis 90% sind. D. h. etwa 57% der Deutschen wohnen zur Miete (siehe: https://www.n-tv.de/ratgeber/Immobilienbesitzer-noch-in-der-Minderheit-article12954366.html). Mieter und Immobilienkäufer haben infolge der ultralockeren Geldpolitik der EZB in den vergangenen Jahren mit zum Teil drastischen Erhöhungen der Immobilienpreise zu kämpfen – vor allem in den Metropolen, wo z. B. in München zwischen 2004 und 2016 die Kaufpreise um 117% angestiegen sind und die Mietpreise um 45%, in Hamburg waren es 82% bzw. 40% und in Berlin 109% bzw. 60% (siehe: https://www.welt.de/finanzen/immobilien/plus166149578/Warum-der-Wohnungskauf-immer-riskanter-wird.html).

Laut einer in 2015 veröffentlichten OECD-Studie (siehe: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/oecd-vermoegen-in-deutschland-sind-besonders-ungleich-verteilt-a-1034911.html) besitzen 40% der Bürger in Deutschland nichts, die ärmsten 50% der deutschen Bürger kommen auf einen Anteil von 2,5% am Privatvermögen, während die reichsten 10% der deutschen Bürger einen Anteil von 60% am Privatvermögen halten und damit deutlich über dem OECD-Schnitt von 50% liegen.

7.4 Armut und Arbeitslosigkeit in Deutschland

Die Armutsquote in Deutschland liegt laut dem Armutsbericht 2017 der Bundesregierung nun bei 15,7% – das bedeutet rein rechnerisch, dass 12,9 Millionen Menschen hierzulande arm sind. Die Quote schwankt seit Jahren leicht, 2005 betrug sie noch 14,7% und damit einen Prozentpunkt weniger als heute. Gemäß dem Begriff der „relativen Einkommensarmut“, der auch in offizielle Statistiken verwendet wird, sind Menschen dann arm, wenn sie über weniger als 60% des mittleren Einkommens verfügen.

Zugrunde liegt dabei „das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes, inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, andere Transferleistungen oder sonstige Zuwendungen“. In Deutschland gilt per dieser Definition als arm, wer als Single weniger als 917 €/Monat netto verdient, bei einer Alleinerziehenden mit einem Kind unter sechs Jahren liegt die Grenze bei 1.192 €/Monat und bei einer vierköpfigen Familie je nach Alter der Kinder zwischen 1.978 und 2.355 €/Monat netto (siehe: http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-03/armutsbericht-2017-deutschland-paritaetischer-wohlfahrtsverband-faq).

Gemäß der Arbeitslosenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit lag die offizielle Arbeitslosigkeit in Deutschland im Mai 2017 bei 2.497.718, darunter ca. 899.000 Langzeitarbeitslose. Leider werden in dieser offiziellen Arbeitslosenstatistik mehr als eine Million Menschen (genau: 1.003.086 Menschen) nicht als Arbeitslose ausgewiesen nachdem die Berechnungsmethode für die Arbeitslosenstatistik in den vergangenen Jahrzehnten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 17 (!) Mal geändert wurde. Nicht als Arbeitslose werden in der offiziellen Statistik z. B. Menschen erfasst, die älter als 58 Jahre sind und Arbeitslosengeld I oder II beziehen (161.177 Menschen), die Maßnahmen zur „beruflichen Weiterbildung“ besuchen (170. 609 Menschen), die sich in Maßnahmen zur „Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ befinden (233.687 Menschen) oder die in „fremd geförderten Arbeitsverhältnissen“ geparkt sind (257.609 Menschen). Tatsächlich sind 3.500.804 Menschen in Deutschland arbeitslos (ohne Dunkelziffer). Darüber hinaus beziehen 1,1 Millionen abhängig Beschäftigte in Deutschland ergänzende Hartz-IV-Leistungen und 2,66 Millionen gehen einem Zweitjob nach. Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland hat sich innerhalb von 23 Jahren fast verneunfacht (991.000 in 2016 vs. 114.000 in 1993).

Im Mai 2017 gab es, wie oben erwähnt, rund 2,5 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Gleichzeitig lebten aber rund 7,07 Millionen Menschen von Arbeitslosengeld und/oder Hartz-IV-Leistungen. Über 769.000 Menschen bezogen Arbeitslosengeld und knapp 6,39 Millionen Menschen lebten in einem Hartz-IV-Haushalt, einer so genannten „Bedarfsgemeinschaft“ – darunter über 2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (Stand: April 2017), was eine Schande für Deutschland ist. Im März 2017 waren 85.000 Menschen in Deutschland Doppelbezieher von Arbeitslosengeld und Hartz-IV-Leistungen (siehe: http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/707-millionen-menschen-leben-von-arbeitslosengeld-oder-hartz-iv-leistungen).

7.5 Steuereinnahmen und Investitionsquote des Bundes in Deutschland

Obwohl sich die jährlichen Steuereinnahmen des Bundes in Deutschland seit 2005 um 110 Milliarden € erhöht haben (190 Milliarden € in 2005 vs. 300 Milliarden € in 2016; siehe: https://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/steuereinnahmen-des-bundes-das-100-milliarden-euro-raetsel/13741244.html) ist Deutschland Klassenletzter bei den öffentlichen Investitionen im Quervergleich zu den USA und zum Rest der Eurozone (siehe: https://blog.zeit.de/herdentrieb/2016/09/16/wie-das-finanzministerium-sich-die-investitionsquote-schoen-rechnet_9835) – und dies obwohl die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland (Straßen, Brücken) für jeden sichtbar verrottet, Deutschland laut Wirtschaftswoche bei der Digitalisierung (z. B. dem Ausbau breitbandiger Mobil- und Festnetze und der Einrichtung von WLAN-Hotspots oder der Einführung von eGovernment) „lahmt“ (siehe: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/standort-deutschland-warum-deutschland-bei-der-digitalisierung-lahmt/20083202.html) und Schulen und Universitäten im internationalen Quervergleich bestenfalls noch Mittelmaß sind.

Die seit dem Jahr 2000 in dreijährlichem Turnus in den meisten Mitgliedstaaten der OECD und einer zunehmenden Anzahl von Partnerstaaten durchgeführten PISA-Studien (Programme for International Student Assessment bzw. Programm zur internationalen Schülerbewertung) haben die Schwächen des deutschen Schulsystems – auch im Quervergleich zu den Schulsystemen anderer Länder – gnadenlos offengelegt (siehe: https://www.oecd.org/berlin/themen/pisa-studie/). Jahrzehntelange Bildungs- und Erziehungsexperimente, wie antiautoritäre Erziehung, Gesamtschulen, G8, „Schreib, wie Du sprichst“, „Lesen durch Schreiben“ etc. haben dazu geführt, dass nur noch eine Minderheit der Schulabgänger von deutschen Schulen in der Lage ist, einen einfachen Satz in fehlerfreier deutscher Rechtschreibung zu Papier zu bringen, geschweige denn im Kopf auszurechnen, was neun mal sieben ist.

Unter den weltweit führenden 50 Bildungseinrichtungen befinden sich gerade noch drei deutsche Universitäten – mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München als am besten bewertete deutsche Universität auf Platz 30 (siehe: https://www.timeshighereducation.com/world-university-rankings/2017/world-ranking#!/page/0/length/25/sort_by/rank/sort_order/asc/cols/stats). Anfang des 20. Jahrhunderts war Deutschland führend in der Chemie, Physik, Medizin und Literatur, was unter anderem dadurch dokumentiert wird, dass eine Vielzahl von Nobelpreisen an deutsche Forscher verliehen wurde (Fritz Haber, Carl Bosch, Otto Hahn, Wilhelm Conrad Röntgen, Max Planck, Gustav Hertz, Werner Heisenberg, Emil von Behring, Robert Koch, Gerhard Hauptmann, Thomas Mann, Hermann Hesse und viele mehr). Heute können wir froh sein, wenn ein deutscher Forscher pro Jahrzehnt mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_deutschen_Nobelpreistr%C3%A4ger).

7.6. Unternehmensgewinne und Investitionsquote der Privatwirtschaft

Auch die Privatwirtschaft investiert zu wenig: Obwohl die deutschen Unternehmen Rekordgewinne erwirtschaften und obendrein leicht an zinsgünstige Kredite kommen, wird kaum investiert. Das zeigen eindrücklich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Die Unternehmensgewinne der deutschen Kapitalgesellschaften (ohne Banken und Versicherungen) haben sich seit 1991 verdreifacht – sie stiegen von 173 Milliarden € in 1991 auf 543 Milliarden € in 2016. Gleichzeitig fielen die die Nettoinvestitionen von 85 Milliarden € in 1991 auf knapp 20 Milliarden € in 2016 – also auf weniger als ein Viertel. Laut Mittelstandspräsident Mario Ohoven schiebt Deutschland einen Investitionsstau von über 140 Milliarden € vor sich her und die Unternehmen leben von der Substanz (siehe: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konjunktur-deutschland-spart-sich-sein-wachstum-kaputt-1.3541455).

7.7 Auswirkungen der EZB-Währungspolitik auf Sparer und Konsumenten

Last but not least toleriert die deutsche Bundesregierung widerstandslos, dass die deutschen Sparer in den 7 Jahren zwischen 2010 und 2017 aufgrund der Nullzinspolitik der EZB mit Tagesgeldkonten, Wertpapieren und Versicherungen per saldo (also nach Abzug der Zinsvorteile bei Krediten) 248 Milliarden € an Zinsen eingebüßt haben (siehe: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/ezb-geldpolitik-kostet-deutsche-sparer-436-milliarden-euro-15025467.html) und dass die deutschen Konsumenten seit 2008 aufgrund des um mehr als 30% verfallenen Außenwertes des Euro zum US-Dollar entsprechend höhere Preise für Importwaren (z. B. SmartPhones, Computer, Unterhaltungselektronik) aus Ländern außerhalb der Eurozone bzw. für Urlaubsreisen in Länder außerhalb der Eurozone zahlen müssen.

Zum Ausgleich bieten CDU/CSU und SPD ihren potenziellen Wählern im Vorfeld der Bundestagswahl am 24.09.2017 Steuerentlastungen in Höhe von sage und schreibe 15 Milliarden € (!) pro Jahr an – in Relation zu den hunderten von Milliarden Euro an Steuergeldern, die im Zuge der Eurokrise verbrannt wurden, sind das weniger, als die berühmten „Peanuts“.

8. Fazit

In einer überschuldeten Welt ist es keine gute Idee, Gläubiger zu sein. Deshalb wäre es für Deutschland allemal besser, mehr Geld im Inland auszugeben, als dem Ausland Kredite zu gewähren bzw. Investitionen im Ausland zu finanzieren, die im Fall einer erneuten globalen Finanzkrise von erheblichen Ausfallrisiken bedroht sein werden. Dazu reicht schon ein kleiner Anlass, z. B. dass in Italien die eurokritische 5-Sterne-Bewegung die nächsten Wahlen gewinnt und den Austritt des Landes aus der Eurozone einleitet.

Die Deutschen sind aus meiner Sicht die Volltrottel der Globalisierung – und zwar aus folgenden Gründen:

  • In keinem wesentlichen Bereich der Politik (Rente, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Steuern, Energie, Verteidigung, …) hat es in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren substanzielle, für den Bürger spürbare, Verbesserungen gegeben. Profitiert haben von „Reformen“ vor allem Wirtschaft, Reiche und Staat, während Arbeitnehmer und sozial Schwache in die Röhre schauen.
  • Das mittlere Einkommen von Vollzeitbeschäftigten liegt in Deutschland bei knapp über 3.000 €/Monat (brutto); inklusive Auszubildende und Teilzeitbeschäftigte sinkt es auf 2.500 Euro (brutto). Die deutschen Bürger zahlen die zweithöchsten Steuern und Abgaben unter sämtlichen OECD-Staaten (49,4% Abzüge bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer in Deutschland vs. 21,8% in der Schweiz bzw. 36% im Durchschnitt aller OECD-Staaten); ein durchschnittlicher in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer in Deutschland mit einem Bruttoeinkommen von 36.000 €/Jahr hat dadurch eine Mehrbelastung von satten 4.824 €/Jahr im Vergleich zum OECD-Durchschnitt zu tragen.
  • Das Privatvermögen in Deutschland ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten gering (Deutschland: 51.400 €, Frankreich: 113.500 €, Spanien: 178.300 €, Italien: 163.900 €) und zudem noch extrem ungleich verteilt (die reichsten 10% besitzen 60% des Privatvermögens in Deutschland, während die ärmsten 50% nur 2,5% besitzen).
  • Es gibt nur drei EU-Staaten (Griechenland, Portugal, Österreich), in denen die Reallöhne (also Bruttolöhne abzüglich Inflation) zwischen 2001 und 2016 weniger stark gestiegen sind, als in Deutschland (mickrige 3,35% in 16 Jahren).
  • Die offizielle Arbeitslosenstatistik in Deutschland ist geschönt, so dass mehr als eine Million Menschen dort nicht oder nur als Fußnoten ausgewiesen werden (2.497.718 offizielle Arbeitslose vs. 3.500.804 tatsächliche Arbeitslose per 31.05.2017); 12,9 Millionen Menschen (15,7% der Einwohner) sind hierzulande arm, 1,1 Millionen abhängig Beschäftigte in Deutschland beziehen ergänzende Hartz-IV-Leistungen und 2,66 Millionen gehen einem Zweitjob nach; die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland hat sich innerhalb von 23 Jahren fast verneunfacht (991.000 in 2016 vs. 114.000 in 1993); knapp 6,39 Millionen Menschen lebten in einem Hartz-IV-Haushalt, einer so genannten „Bedarfsgemeinschaft“ – darunter über 2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (Stand: April 2017), was eine Schande für Deutschland ist.
  • Infolge der EZB-Währungspolitik haben die deutschen Sparer zwischen 2010 und 2017 per Saldo (nach Abzug der Zinsvorteile durch niedrigere Schuldzinsen) rund 248 Milliarden € an Zinsen verloren und die deutschen Konsumenten zahlen durch den um rund 30% zu niedrigen Außenwert des Euro viel zu hohe Preise für importierte Konsumgüter und Reisen in Länder außerhalb der Eurozone.
  • Deutschland exportiert infolge seiner Außenhandelsüberschüsse pro Jahr ca. 250 Milliarden € ins Ausland, wo dieses Kapital erheblichen Ausfallrisiken ausgesetzt ist; gleichzeitig investiert Deutschland viel zu wenig in seine Infrastruktur und in sein Bildungssystem.
  • Deutschland hat infolge des fehlkonstruierten Eurosystems seit 2008 über 1,6 Billionen € an wackeligen Forderungen und Haftungsrisiken aufgebaut (860 Milliarden € unbesicherte und unverzinste TARGET2-Forderungen mit steigender Tendenz, 590 Milliarden € durch das „Quantitative Easing“-Programm der EZB, 159 Milliarden € aus den „Rettungsprogrammen“ für überschuldete Staaten der Eurozone) – weitere signifikante Haftungs- und Ausfallrisiken drohen durch die Europäische Bankenunion, die Europäische Arbeitslosenversicherung und Eurobonds.
  • Der Wohlstand Deutschlands ist bedroht durch erhebliche Risiken im globalen Finanzsystem z. B. aus Derivaten (Handelsvolumen von 630 Billionen bis 1,2 Billiarden USD in 2015 vs. 80,9 Billionen USD weltweite Geldmenge) und ungezügelten Spekulationen durch unzureichende Regulierung; der Eintritt des nächsten globale Finanzcrashs ist nur eine Frage der Zeit und die Notenbanken (FED, EZB) haben ihr Pulver im Zuge der letzten globalen Finanzkrise bereits verschossen.

Ungeachtet der immensen Haftungs- und Ausfallrisiken, denen Deutschland ausgesetzt ist, fordern der Internationale Währungsfonds (IWF) in trauter Einigkeit mit US-amerikanischen Starökonomen, wie Kenneth S. Rogoff oder Joseph E. Stiglitz, von Deutschland gebetsmühlenartig eine höhere Staatsverschuldung, die Beendigung der Austeritätspolitik in der Eurozone (was zu noch mehr Schulden führen würde), sowie Schuldenschnitte für überschuldete Staaten der Eurozone, wie Griechenland, zulasten der deutschen Steuerzahler – Honi soit qui mal y pense (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) …

P.S.: Interessierte Kreise fordern für die Eurozone immer wieder vehement die Einführung einer „Europäischen Bankenunion“ oder gar einer „Europäischen Bad Bank“. Diese wohlklingenden Vorschläge, bei denen regelmäßig an die „Solidarität“ Deutschlands als angeblich „größtem Profiteur“ der Eurozone appelliert wird, dienen hauptsächlich einem Zweck: Immense Schulden (17 Billionen € in 2012 nur bei den Banken in Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Irland) und Haftungsrisiken (990 Milliarden € ausfallgefährdete Kredite Ende 2016 bei den Banken aller EU-Staaten), die aus Fehlspekulationen privater Finanzinstitute resultieren, sollen von den Anteilseignern dieser Finanzinstitute auf die Steuerzahler der Eurozone abgewälzt werden – so wie das im Fall von Griechenland im Zuge eines verdeckten Schuldenschnittes in 2012 bereits erfolgreich durchexerziert wurde.

Da die EU-Mittelmeerstaaten gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung deutlich höher verschuldet sind, als Staaten wie Deutschland, die Niederlande oder Österreich, würde der Großteil der Schulden und Haftungsrisiken von den Steuerzahlern der letztgenannten Länder zu tragen sein. Den gleichen Zweck verfolgen die Vorschläge zur Einführung einer Europäischen Arbeitslosenversicherung oder von „Eurobonds“. Es geht um die länderübergreifende Vergemeinschaftung bzw. Sozialisierung von Schulden bzw. Staatsausgaben. Wenn das die Vision von der zukünftigen Europäischen Union ist, kann ich gerne darauf verzichten.

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